Kintsugi: Die japanische Kunst, Unvollkommenheit anzunehmen

Veröffentlicht am 23. März 2025 um 10:35
Auf dem Foto sind zwei Teetassen abgebildet, die mittels der japanischen Kunst Kintsugi mit vergoldetem Harz repariert wurden. (Foto: Dorothea Fischer)

Kintsugi ist die japanische Kunst, zerbrochene Keramik mit goldenen, silbernen oder kupfernen Nähten zu reparieren, anstatt die Risse zu verbergen.

 

Es geht darum, die Brüche und Unvollkommenheiten eines Objekts nicht als Makel zu betrachten, sondern als wertvolle Teile seiner Geschichte. Diese Philosophie lässt sich auf das eigene Leben übertragen und kann helfen, eine tiefere Akzeptanz und Wertschätzung für unsere Erfahrungen und Herausforderungen zu entwickeln.

 

Horizont erweitern

Mich begeistert schon eine ganze Weile die Philosophie hinter diesem Handwerk, weshalb ich gestern einen Workshop besucht habe. Ich bin noch ganz beseelt von dem Gefühl, das das Erlebnis hinterlassen hat: etwas scheinbar Defektem ein neues Aussehen und eine neue Wertigkeit zu verleihen. Der goldene Kitt, der meine Schalen jetzt wieder zusammenhält, macht sie zu individuellen Objekten, betonen die vormals unschönen Stellen.

"There is a crack in everything.
It’s how the ligth gets in."

Leonhard Cohen

Schwächen uns unsere Erfahrungen?

Im Leben erleiden wir emotionale oder physische Verletzungen – seien es gescheiterte Beziehungen, berufliche Rückschläge oder persönliche Verluste. Oft neigen wir dazu, diese Erfahrungen zu verstecken oder zu verdrängen, weil wir glauben, dass sie uns schwächer oder weniger wertvoll machen.

 

Kintsugi lehrt uns jedoch, dass diese „Brüche“ Teil unserer Identität sind und uns zu dem Menschen machen, der wir sind. Wie bei einer Kintsugi-Keramik können die Narben unseres Lebens durch das Umarmen ihrer Bedeutung zu etwas Einzigartigem und Schönem werden. Indem wir uns erlauben, unsere Fehler, Schwächen und schmerzlichen Erlebnisse zu akzeptieren, können wir lernen, aus ihnen zu wachsen. Die goldenen „Nähte“ im Leben könnten symbolisch für die Weisheit und Stärke stehen, die wir durch das Überwinden von Schwierigkeiten gewonnen haben.

 

Jemand verrührt Kunstharz mit Goldpartikeln, um damit eine Keramikschale zu reparieren. (Foto: Dorothea Fischer)
Jemand trägt goldenes Kurzharz auf Keramik auf, um eine zerbrochene Schale zu reparieren (Foto: Dorothea Fischer)
Jemand reinigt eine mit Kintsugi-Technik reparierte Vase und wäscht überflüssige Farbe ab. (Foto: Dorothea Fischer)

 

“Risse” mit Würde akzeptieren

Anstatt uns nach einem Rückschlag zu verstecken oder uns als unvollständig zu sehen, könnten wir diese „Risse“ mit Würde und Selbstakzeptanz präsentieren (im Inneren und im Außen), als Beweis für unsere Widerstandskraft und unsere Fähigkeit, trotz allem zu gedeihen. Es gibt viele verschiedene Arten, wie Menschen ihre „Risse“ im Leben auf eine Weise präsentieren können, die sowohl ihre persönliche Entwicklung als auch ihre Verletzlichkeit betont.

 

  • Indem wir über unsere Fehler, Ängste und Herausforderungen sprechen, zeigen wir uns authentisch.
  • Das Teilen von Erfahrungen, wie etwa eine gescheiterte Beziehung oder eine gesundheitliche Krise, kann anderen helfen, sich weniger allein zu fühlen und Mut machen, ihre eigenen Verletzlichkeiten zu zeigen.
  • Künstler nutzen oft ihre persönlichen Leiden als Inspiration für ihre Werke. Ob Malerei, Musik, Literatur oder Tanz – kreative Ausdrucksformen sind ein kraftvoller Weg, um Schmerz, Trauer oder Unsicherheit zu verarbeiten und zugleich anderen die Möglichkeit zu geben, sich in den eigenen Erfahrungen zu spiegeln.
  • Körperliche Narben, etwa nach einer Operation, einem Unfall oder durch ein anderes Ereignis, können als sichtbare Erinnerungen an überwundene Herausforderungen dienen. Wenn Menschen Narben zeigen, zum Beispiel, indem sie sie mit Tattoos betonen, oder durch das Akzeptieren ihres Körpers, können sie den Rissen im physischen Selbst eine neue Bedeutung geben.
  • Manche Menschen nutzen ihre Erfahrungen, um ihren Lebensstil oder ihre Perspektive grundlegend zu ändern, etwa durch einen Wechsel des Jobs, einen Umzug in eine andere Stadt oder die Entscheidung, das Leben bewusster und achtsamer zu gestalten.
  • Viele Schriftsteller nutzen eigene Erfahrungen und innere „Risse“ als Grundlage für ihre Werke. Autobiografien, Essays oder auch fiktionale Werke, die auf persönlichen Erlebnissen basieren, erlauben es, die „Brüche“ in einer kreativen Form zu präsentieren und gleichzeitig anderen die Möglichkeit zu geben, sich mit diesen Erfahrungen zu identifizieren.

 

Der Weg zur Heilung, sowohl für die eigene Seele als auch für den Körper, ist häufig von Bruchstücken gezeichnet. Menschen, die therapeutische Prozesse durchlaufen, um ihre traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten, tragen ihre Risse auf subtile Weise in ihre tägliche Praxis, indem sie zum Beispiel Achtsamkeit oder Meditation in ihr Leben integrieren.

 

Auf dem Foto sind zwei mit Kintsugi-Technik reparierte Blumenvasen zu sehen. (Foto: Dorothea Fischer)

 

Kreative Workshops bei "SinnGut" in Frankfurt

Ich habe mich für einen Workshop bei Ulrike, die zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin das "SinnGut" in Frankfurt am Main (unbezahlte **Werbung** aus persönlicher Überzeugung) betreibt. Die beiden verkaufen in ihrem Concept Store in der Wittelsbacher Straße 119 individuelle und handgemachte Designstücke – vom bestempelten Frankfurter-Grüne-Soßen-Shirt über Neon-Dip-Dye-Kerzen bis zu farbenfroher Keramik.

 

An einem langen Arbeitstisch in ihrem Laden veranstalten sie verschiedene Kreativ-Workshops, unter anderem "New Kintsugi". Anders als bei der traditionellen Handwerkstechnik werden Kunstharze zum Verfüllen der Risse verwendet, anstatt pflanzliche Harze, die etwa zwei Wochen zum Aushärten benötigen. Die verwendeten Zwei-Komponenten-Kleber haben wir mit metallischen Pigmenten oder flüssigen Farben in verschiedenen Farbtönen gemischt. Dann haben wir sie zügig auf die Bruchkanten aufgetragen. Innerhalb von nur etwa fünf Minuten waren sie ausgehärten. Je nachdem, wie viel Kleber wir aufgetragen haben, sind die Linien dick oder filigran. Später haben wir sie bei Bedarf nachbearbeitet.

 

Wir, das waren sechs Teilnehmerinnen und ein Teilnehmer. Es war für mich eine schöne Gelegenheit, mit anderen über die Bedeutung von Kintsugi und den Erfahrungen beim Gestalten und Reparieren ins Gespräch zu kommen.

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Die Empfehlungen in diesem Beitrag gebe ich aus eigener Überzeugung. Es handelt sich um unbezahlte Werbung. Ich verlinke dennoch auf Internetseiten, auf denen du meine Empfehlungen kaufen kannst oder weitere Informationen findest.

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